Loyale Mitarbeiter sind vermutlich der Traum eines jeden Unternehmers: Engagierte, intrinsisch motivierte Leute, die gern zur Arbeit kommen und positiv über die Firma reden. Die ihren Arbeitgeber ohne zu zögern bei Freunden weiterempfehlen. Und die idealerweise länger an Bord bleiben. “Mitarbeiter als Markenbotschafter” lautet die Devise. Doch wie realistisch ist das? Und was können Unternehmen tun, um die Loyalität ihrer Mitarbeiter zu fördern?
Noch länger in derselben Firma und der Lebenslauf ist versaut
Bereits irgendwann in den 90ern entstand der Begriff des “Arbeitskraft-Unternehmers”: Berufstätige sind heute als (Arbeits-)Marktteilnehmer für ihren eigenen Marktwert verantwortlich. Wo es weniger vorgezeichnete Karrierewege gibt (und je mehr diese an Attraktivität verlieren), steigt die Bedeutung der eigenen Weiterbildung, quasi als strategische Investition. Da sich Qualifikationen zudem heute schneller überholen – ein durchschnittlicher europäischer Arbeitnehmer tauscht im Laufe seines Lebens sein komplettes Wissen aus – müssen sie gehegt und gepflegt werden. Und das gilt nicht nur für theoretisches Wissen, sondern auch für praktische Erfahrungen. “Wenn ich noch länger in dieser Firma bleibe und dasselbe mache, ist doch mein Lebenslauf versaut” hört da so mancher seinen inneren Personaler sagen. So entsteht dann gerade in bekannten Unternehmen (“gut für den Lebenslauf”) der Söldner-Typus des Mitarbeiters: Drei bis fünf Jahre bleiben, reinhauen, gerne aufsteigen – wenn nicht hier, dann woanders. Dieser Typus ist besonders dort gut aufgehoben, wo es eher funktional zugeht und in großer Geschwindigkeit Höchstleistungen erbracht werden müssen. Besonders viele Söldner-Karrieren starten in Beratungshäusern oder großen Kanzleien, wo die Unternehmenskultur darauf ausgelegt ist. “Up or out” ist das Prinzip; es geht also nicht um lange Verweildauern und besondere Identifikation mit der Firma.
Echte Loyalität entsteht nicht von heute auf morgen
Manche Unternehmen sind jedoch besonders auf loyale Mitarbeiter angewiesen – zum Beispiel in hochspezialisierten Bereichen oder in langanhaltenden und einschneidenden Veränderungsprozessen. Diese Mitarbeiter zu finden (und zu behalten) ist schon etwas schwieriger, denn echte Loyalität entsteht erst über einen längeren Zeitraum und auf unterschiedliche Art. Gucken wir auf die Loyalität gebenüber anderen Menschen, dann geht es besonders um Mitarbeiterbindung. Es wird dann nicht im Sinne des Unternehmens sein, überwiegend die oben genannten Söldner anzuheuern. Stattdessen kommt es auf Stabilität an, auf Verlässlichkeit. Gar nicht so einfach, wenn diese im Topmanagement nicht gegeben ist: CEOs bleiben im internationalen Durchschnitt 5 Jahre; Geschäftsführer und Vorstände deutscher Familienunternehmen bringen es auf durchschnittlich 8,3 Jahre.
Gucken wir dagegen auf die Mitarbeiterloyalität gegenüber dem Unternehmen, dann geht es besonders um die Vermittlung von Sinn sowie um Beteiligung und Transparenz. Versuche, die Mitarbeiter mit kurzfristigen Kampagnen oder netten Gimmicks auf den Erfolgskurs einzuschwören, können dagegen böse nach hinten losgehen.
Jammern über den Job gehört dazu – außer man trägt viel Verantwortung
Dem “Mitarbeiter als Markenbotschafter” steht gerade bei uns Deutschen eines besonders im Weg: Die andauernde Unzufriedenheit mit und das Jammern über den Job. So beziffert zum Beispiel der letzte von Gallup ermittelte Engagement-Index die Zahl der Mitarbeiter mit besonders hoher Bindung auf gerade einmal 15%. Der Rest macht entweder Dienst nach Vorschrift oder streut Sand ins Getriebe. Aber: Es jammert nicht jeder. Je mehr Verantwortung jemand für den Unternehmenserfolg trägt, desto weniger äußert er sich negativ über das Unternehmen. Das hat zwei Gründe: Zum einen steigt die Selbstwirksamkeit, wenn jemand bewusst einen Beitrag zum Gelingen des “Großen Ganzen” leisten kann. Zum anderen wirkt es wie eine Art Selbstverpflichtung, wenn jemand in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Unternehmen assoziiert wird. Stellen Sie sich jemanden aus dem Topmanagement vor, der am Wochenende beim Grillen über die schlimme Firma meckert. Absurd, oder? Diese Selbstverpflichtung, auch bekannt als “Public commitment Effekt” kommt insbesondere dann zustande, wenn jemand im Namen des Unternehmens öffentlich auftritt.
Unternehmen können dennoch einiges tun, um die Loyalität ihrer Mitarbeiter zu fördern
- Sorgen Sie für Transparenz.
Klingt banal, ist es aber nicht: Kennt jeder Mitarbeiter die Unternehmensziele und seinen eigenen Beitrag dazu? Hat jeder die nötigen Kennzahlen, um selbst einzuschätzen, wie erfolgreich der Laden läuft? Wie gelangen die Mitarbeiter an diese Informationen? Werden sie durch die Führungskräfte gefiltert oder stehen sie jedem zur Verfügung? Könnte man jeden Mitarbeiter zur Strategie befragen und bekäme ähnliche Antworten?
- Forcieren Sie keine Blitzkarrieren.
Honorieren Sie stattdessen das längere Verweilen im selben Team oder derselben Position. Das hat nämlich viele Vorteile: Die Beteiligten können tragfähige Beziehungen aufbauen, es wird mehr und tieferes Wissen generiert und statt dem schnellen Erfolg steht Qualitätsarbeit im Vordergrund. Letzteres gilt vor allem für die Führungskräfte: Sie haben auf diese Weise Zeit, sich zu bewähren, denn gute Führungsarbeit lässt sich erst langfristig beurteilen. Wird ein Chef nur interimsweise tätig, gehen Mitarbeiter auch bei sehr schlechter Führungsarbeit kaum auf die Barrikaden – “Augen zu und durch, er/sie ist ja bald wieder weg, das halten wir aus” ist dann einfacher. Bestimmt sind Ihnen solche Blitzkarrieren auch geläufig. Wenn Sie das nächste Announcement der Art “… und dann übernahm er mit dem Weggang von Herrn Shatterhand kurzerhand das Marketing, um anschließend für 6 Monate mit dem Vertriebsbereich XY den ostasiatischen Markt zu erschließen und wird nun die erste Führungsebene ergänzen” zu Gesicht bekommen, fragen Sie einfach mal die jeweiligen Mitarbeiter, wie diese Zeit war.
- Erheben Sie regelmäßig Daten rund um Mitarbeiter-Bindung und Mitarbeiter-Engagement.
Das kann durch eine Mitarbeiterbefragung geschehen, aber auch durch verschiedene Formen des Audits. Wichtig ist, dass es nicht bei der Erhebung und schlimmstenfalls Schönfärberei der Ergebnisse bleibt, sondern die dafür wichtigen Faktoren kontinuierlich verbessert werden. Und das sollten Sie so durchsichtig wie möglich kommunizieren.
- Lassen Sie Mitarbeiter aus den verschiedensten Ebenen das Unternehmen nach außen vertreten.
Wie jetzt? Müssen die Mitarbeiter nicht erst einmal ihre Loyalität beweisen, damit sie das Unternehmen vertreten dürfen? Eben nicht! Machen Sie sich stattdessen den Effekt des “Public commitment” zu Nutze: Egal, ob jemand auf einer Messe, einem Kongress oder beim Hochschulmarketing die Firma vertritt – er wird sich in der Regel sehr gut vorbereiten, viele positive Argumente sammeln und sich intensiv über die Außenwirkung Gedanken machen. Nebenbei – und das ist das eigentlich Spannende – hat das maßgeblichen Einfluss auf die eigene Meinungsbildung: Um das Unbehagen zu vermeiden, das entsteht, wenn Handlung und Werte nicht übereinstimmen, erfolgt eine Neubewertung der eigenen Einstellung.
- Nutzen Sie Social Media nicht für klassische Einbahnstraßenkommunikation.
Vermutlich haben Sie längst eine Facebook-Unternehmensseite. Wenn ja, wer pflegt die und was passiert da? Wieviele und welche Mitarbeiter sind in (welchen) sozialen Netzwerken unterwegs? Kann jeder so schnell wie nötig und so authentisch wie möglich reagieren, oder müssen Mitarbeiter sich ihre Statements erst von Führungskräften oder Unternehmenskommunikation absegnen lassen? – Überzeugte und hoch identifizierte Mitarbeiter erkennt man auch daran, dass sie sich nicht hinter verschwurbelten Sprachregelungen verstecken.
15. September 2022, 19:33